St. Anna Kapelle
St. Anna Kapelle
(Zusammengestellt von Johann Girnghuber, ehem. Kirchenpfleger aus Unterlagen Pfarr- und Klosterarchiv Nvb)
Hierbei handelt es sich möglicherweise um die ehemalige Schlosskapelle im nördlichen Erdgeschoß des Pfarrhofes. In alten Aufzeichnungen wird von der St. Anna und auch von der St. Magdalenen Kapelle gesprochen.
Auf einer Tafel überzogen mit Pergament mit silberner Rahmung steht die Geschichte dieser Kapelle geschrieben. Da die Lesbarkeit der Schrift durch Feuchtigkeitseinwirkung stark gelitten hat, veranlasste die Kirchenverwaltung Niederviehbach 1998 durch den Kirchenmaler Hr. Preisinger aus Roding eine Renovierung. Die Wieder-Anbringung in der heutigen St. Anna Kapelle ist vorgesehen.
Anno Domini 1233
Ist diese Capelle geweicht worden von dem Ehrwürdigen
Herrn und Vatter Herrn Conrathen, Bischof zu Regensburg zu
den Ehren der Heiligen Frauen Sanct Anna und Sanct
Maria Magdalena: und den Kürchtag soll man Begehen
den Sontag nach Michaelistag.
– Obvermelte Capellen ist zum Andern verneuert
worden als man zahlt Anno 1551
– zum Dritten mal Anno 1602
– und zum Vierten mal Anno 1767
– Deren Reliquien hierinnen Verschlossen als volgt:
- Maria Magalena S. Achatii
- Valentinus S. Bartolomaei Ap
- Laurentius S. Margaretha
- Vinantius S. Agnetius Virg.
- Cunigundis S. Barbara
- Nicolai Ep S. Anna
Die Reliquien verpackt in einem Zinnkästchen aus der Vertiefung in der Altarmitte, wurden bei der letzten Renovierung 1979 durch Pfarrer Thomys entnommen und befanden sich in kirchlicher Verwahrung. Ein Zurückversetzen mit Neueinweihung des Altares wurden von Hr. Pfarrer Brunner, mit Erlaubnis des Bischofes, durchgeführt.
Die oben aufgeführte Beschreibung weist eine Ungereimtheit auf, da Bischof Konrad von 1204 bis 1227 dem Bistum vorstand und 1233 nicht mehr lebte.
Hierbei könnte es sich um einen Abschreibefehler handeln, indem 1223 mit 1233 vertauscht wurde.
Konrad der IV war der letzte Graf von Teisbach und der letzte Gaugraf von Frontenhausen. Da Teisbach seine Heimat war, dürfte er sich des Öfteren hier in unserer Gegend aufgehalten haben. Ein solcher Aufenthalt könnte zur Weihe der Schloßkapelle genutzt worden sein.
Zu dieser Zeit hatte Berengar I (1210-1231) Niederviehbach als Lehen, welches über die Mutter Berta v. Altendorf (Tochter des Gebhart von Sulzbach) in den Besitz der Leonsberger kam.
Der Vater Heinrich II von Altendorf war nämlich in 1. Ehe mit Hildegard von Moosbach verheiratet, deren Familie Viehbach (Niederviehbach) bestehend aus 1 Hof und 2 Huben mit 7 Weingärten als königliches Lehen hatte.
Ursprünglich dürfte die St. Anna Kapelle in romanischem Stil ausgestattet und eine St. Anna Figur mit dem Jesuskind der Mittelpunkt gewesen sein. Die Grundfeste weisen mit den Nagelfluhquadern romanischen Ursprung auf.
Im Jahre 1912 wurde in Lichtensee im alten Gasthaus Völkl (heute Wohnhaus der Familie Kutzer) eine alte romanische Statue der Hl. Mutter Anna mit dem Jesuskind aufgefunden und nach Dingolfing gebracht. Der Kunstsammler Hr. Hochw. Pfarrer Sebastian Paintner von Oberviehbach kaufte diese Figur um 100 Mark für seine Altertumssammlung (auch die Isar Post – Zeitung berichtete davon).
Diese Sammlung wurde nach dem Tod des Pfarrers dem Diözesanmuseum in Regensburg vererbt und bildete den Grundstock für das Diözesanmuseum Regensburg.
Nach vielfältigen Recherchen im Diözesan-Depot der Diözese, konnte diese Figur aufgespürt werden und hat im Original nachfolgendes Erscheinungsbild. Aufgrund ihres Alters wurde diese alte Plastik entsprechend untergebracht.
Die 2. Renovierung der Kapelle von 1551 wurde unter der Priorin Helena Schützin durchgeführt und wurde wahrscheinlich zusammen mit dem Umbau des heutigen Pfarrhofes vorgenommen. Die Holzdecke und die Türrahmen im Erdgeschoß belegen durch Schnitzereien der Jahreszahlen diese Vermutung.
Die 3. Renovierung 1602 fällt in die Zeit der Priorin Maria Wißlspergerin eine Tochter des Kammerbauernhof-Besitzers in Oberviehbach Mathias Wißlsperger, der 1590 geadelt wurde.
Das barocke Altärchen aus rotem Marmor ist mit einem 1,27 m hohen und 0,99 m breitem Altarblatt, Ölmalerei auf Hartholz (event. Eiche) geschmückt. Das Bild stellt die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde dar. Die Hl. Anna wendet sich dem Jesuskinde zu. Rechts daneben steht die Hl. Magdalena mit dem Salbungsgefäß in den Händen. Auf der linken Seite steht der Hl. Augustinus im bischöflichen Ornate (Gewand). Über den Personen thronend Gott Vater.Dieses Gemälde wird auf das Jahr 1650 datiert. (Altarbild auf Holz gemalt)
Im Jahre 1767 wurde diese Kapelle zum 4. Male renoviert. Hierbei dürfte die Kapelle barock in die heutige Form umgestaltet worden sein. Sie weist eine barocke Wölbung mit 2 barockisierten schmalen Fensterchen gegen Osten auf. Auf der linken Seite finden wir noch eine barocke silberne Ampel, die das „Ewige Licht“ aufnahm.
Eine 5. Renovierung erfolgte 1908 unter Pfarrer Allkofer. Für die Restaurierung des Bildes wurden 200 Mark und für die Renovierung der Kapelle 615 Mark vom königlichen Ministerium bewilligt.
Unter Pfarrer Thomys wurde 1979 die St. Anna Kapelle ein weiteres mal renoviert und umgestaltet. Das barocke Gewölbe wurde mit einer „passenden“ hölzernen Kassettendecke überdeckt. Rechts neben dem Altärchen wurde ein hölzerner Schutzengel (Brustdarstellung), der früher außen über dem Kircheneingang hing, angebracht. Ein spätgotisches lebensgroßes Kruzifix des frühen 16. Jahrhunderts, welches lange Zeit im Friedhof vor der Kirche stand, am Lendentuch beschädigt, teilweise die farbige Fassung noch erkennbar, starke Holzwurmschäden in der Nackengegend, wurde an der Nordwand der Kapelle angebracht.
Eine ca. 4 m tiefe Grabung mit Einbringung eines Betonankers in der Kapellenmitte wurde bei der Renovierung durch das Denkmalschutzamt bzw. Landbauamt durchgeführt. Die Notwendigkeit dieser Unterfangung des Fundamentes zeigt das Abrutschen des Pfarrhofes gegen Osten.
Das Kruzifix wurde wegen des starken Holzwurmbefalles 1995 in der Filialkirche zu Dengkofen (Gem. Mengkofen) mit noch anderen kirchlichen Gegenständen unter Pfarrer Konrad Kelbl begast. Weiterhin wurden noch 12 gemalte Bilder der Apostel aufgehängt, die vermutlich zugeschnitten wurden und auf Pressspanplatten geklebt, da kein Malrand ersichtlich ist.
Die Pflasterung aus Sonthofer Marmorplatten, die m.E. ein früheres Ziegelpflaster ersetzt, weist links vor dem Altar eine Besonderheit auf. Auf einer Platte ist ein noch unbestimmtes Wappen eingemeißelt, welches noch einer näheren Bestimmung bedarf.
Anmerkung: Nach dem neuesten Forschungsstand kann mit der alten Bezeichnung St. Anna-Kapelle bzw. „Capelle“ in früheren Urkunden auch eine Vorgängerkirche, die den heutigen Chorraum umfasst, gemeint sein, bzw. die identisch mit der „alten Sakristei ist, deren Bausubstanz wesentlich älter ist und einen direkten Zugang vom Kreuzgang besitzt.
Älteste Bausubstanz aus Kalksandstein
Requisitenkammer bzw. Alte Sakristei aus dem Isar-Flussbett bzw. Isarhangleite
Aufgrund der Bauforschung während der Kirchenrenovierung wurde festgestellt, dass die älteste Bausubstanz in der „Alten Sakristei“, die auch in alten Plänen mit „Requisitenkammer mit „Einsetz“ bezeichnet wird zu finden ist. Das ca. 40 cm dicke Mauerwerk besteht aus Kalksandsteinen, welche im alten Isar-Flussbett zu finden sind. Auch die Abmessungen dieses Raumes lassen auf eine ursprüngliche Nutzung als Kapelle schließen. Die Seitenwände sind spärlich mit Rankenwerk mittels Rötelfarbe geschmückt. Man vermutet auch an dieser Stelle ein vorgeschichtliches geistiges Zentrum. Dies verstärkt auch die anliegenden Bestattungen, von denen ein Kastengrab mit einer Familienbestattung sehr großer Menschen hervorsticht. Eine Untersuchung durch den Kreisarchäologen Hr. Dr. Kreiner ergab das Jahr um 800 n. Chr.
Eine spätere Verlegung bzw. Neubau dieser Kapelle im Innenraum des heutigen Presbyteriums (Chorraum der Pfarrkirche) kann nicht ausgeschlossen werden, da sich hier auch unter dem Hochaltar die Stiftergruft des Grafen Berengar und seiner Gemahlin Agnes v. Pflug befindet.
Weiter konnte festgestellt werden, dass die Bausubstanz der heutigen St. Anna-Kapelle ein späteres Datum aufweist und mit dem Mauerwerk des „alten Jagschlosses“ und auch nicht mit dem im 15.Jh. errichteten Kloster (heutiger Pfarrhof) direkt verbunden war. Ein Anbau im 14. Jh. wäre denkbar, da hier die heutige Pfarrkirche mit dem Kloster in einer niedrigeren Bauweise errichtet wurde. Das Dach der heutigen Pfarrkirche weist aufgrund dentografischer Untersuchungen Jahreszahlen um 1490 auf. Diese Kapelle ist in den bestehenden alten Kreuzgang eingebaut, der aufgrund der aufgefundenen Ausmalungen auf das 15. Jh datiert werden kann.
Ursprüngliche St. Anna Kapelle, vermutlich neben Kirchenchor (blau schraffiert)
Quellennachweise: Unterlagen aus Pfarrarchiv, Klostergeschichte und Privatarchiv Girnghuber
Aktuelles Foto „St. Anna mit Kind“ aus Diözesan-Depot Rgb
Erstellt: Johann Girnghuber
Stand 01.11.2022